• Ich möchte dieses Forum mit der Frage ***Sind Spritzgussprozesse weiterhin wirklich ohne Fortschrittsperspektive?*** beleben ...


    Trotz exorbitantem Fortschritt bei Technik der Maschinen und Peripherie gibt es seit 60 Jahren die gleichen Fehlerbilder beim Spritzguss!

    Diese Fehlerbilder sind der größte Kostentreiber für alle Kunststoffspritzguss-Unternehmen!
    Diesem Zustand haben alle Spritzgießer
    1. aufgeblähte QM-Systeme,
    2. regelmäßige Audits,
    3. Wände schmückende Zertifikate,
    4. zu hohen Ausschuss und
    5. Kundenreklamationen zu verdanken!

    Ja, Kunststoffspritzguss muss endlich NEU gedacht werden!

    Oder nicht?

    Da hier im Forum (gefühlt) überwiegend junge Mitglieder an den Diskussionen teilnehmen, gehe ich davon aus, dass die Frage: “Welche Perspektive hat der Kunststoffformgeber an der Maschine, um zukünftig Prozesse so zu gestalten, dass nicht ständig die gleichen uralten Fehlerbilder weiterhin zu Problemen führen?“

    Es wäre schön, wenn hier im Forum reichlich Meinungen und Erfahrungen zu dem Thema zu lesen sind.

    Vielen Dank an alle, die sachlich und offen eine Diskussion dazu beleben. :smiling_face:

  • Das ist leider wahr.
    Fängt bei der oft mangelhaften Ausbildung an, geht über fragwürdige Werkzeugkonstruktionen hinaus bis zu designbedingten "Unspritzbarkeiten" weiter.
    Oftmals Mitarbeiter die den Prozess nie verstanden haben und und und.
    A never ending story ... so scheint mir.

  • Deswegen habe ich auch vor ein paar Wochen die beiden Themen-Reihen bei LinkedIn gestartet. Da erkläre ich ja nur die absoluten Grundlagen, die eigentlich in der Ausbildung vermittelt werden müssten, aber nicht vermittelt werden.

  • Ich arbeite schon einige Jahre in der Bemusterungsabteilung und finde es erstaunlich erschreckend, wie viele Fehler schon in der Konstruktionsphase begangen werden. Ich habe zum Teil das Gefühl, dass einige Werkzeugkonstrukteure noch nie selbst bei einer Bemusterung dabei waren und Probleme die die Jungs an der Maschine quälen, immer wieder machen, da einfach kein Feedback bei ihnen ankommt. Es gibt aber auch Konstrukteure die „alles“ im Griff haben, aber andere Leute in der Kette, die Dinge seit Jahren nach Schema x machen, dagegen steuern und am Ende muss man mehrere Schleifen fahren, da man auf die Leute mit Ahnung bzw. anderen Ansichten nicht hören wollte.
    Auch habe ich das Gefühl, dass manche sich zu fein sind z.B. Materialhersteller zu kontaktieren, bevor ein Werkzeug gebaut wird. Nein, da Doktert man lieber Wochenlang im Nebel herum um irgendwann festzustellen, der Materialhersteller hätte gute Ansätze und Tipps.

    Dann ist ja noch der große Preisdruck der OEM’s / Zuliefererer. Da kannst nur im Ausland (überwiegend China) bauen (lassen), damit man den Zuschlag bekommt. Asiatische Hersteller die ein Werkzeug für sagen wir 20.000 EUR bauen, während ein deutscher Hersteller das vier- bis Fünffache will, wissen ganz genau, dass wenn das Werkzeug einmal deren Hallen verlässt (egal wie hin gemurkst alles ist), es nie wieder zurückkommt, man aber vor Ort dann aus Scheiße Gold machen muss. Auch die Kommunikation ist sehr schwierig, selbst mit deutschen Vermittlern! Wohin soll das führen?

    Was mir Persönlich auch fehlt, ist das Zusammenkommen nach einem Projekt mit dem Ziel, alle Probleme und Erfolge zu erfassen, um daraus zu lernen und es das nächste Mal besser machen. Ne! Da macht man lieber genau so weiter und wundert sich am Ende des Tages mal wieder, warum man die Termine nicht einhält und am einfachsten ist gesagt, dann muss man jemanden anderen spritzen lassen …

    Zum Thema Ausbildung will ich gar nicht viel sagen, außer dass die Lehrlinge die bei uns in der Firma aufschlagen – wobei das Gefühl bekomme ich von einigen externen auch vermittelt - einfach keine Lust haben. Entweder man selbst bringt denen was bei, oder man hat halt Pech! Ich habe zur meiner Zeit freiwillig(!) Samstag die Firma aufgesucht und die Steuerung bis zum Ende „durchgespielt“, um am Montag meinen Ausbilder mit Fragen zu quälen. Da war noch der Wille und Einsatzbereitschaft auf einem anderen Niveau.

    Thema Maschinentechnik: Ja du hast Recht. Neue Maschinen sind toll und können viel, aber was bringt das einen wenn die Technik einfach ins Haus geholt wird, ohne dass jemand abgeholt wird? Da gehören Schulungen dazu und nicht einfach nach dem Motto: „Mach einfach mal, wird schon!“. Selbst Maschinen die 20 Jahren alt sind können Werte in einer Grafik darstellen, und wenn ich sehe wie viele dies nutzen, wozu dann noch viel mehr Möglichkeiten, wenn selbst die einfachsten Dinge nicht benutzt werden?

    Grundsätzlich ist Spritzguss echt was Tolles, mit viele Möglichkeiten und einer hohen Abwechslung, aber man reguliert in meinen Augen alles kaputt hierzulande. Auflagen hier, Audits dort, Umweltvorgaben hin und her, und am Ende wundert man sich, warum die anderen uns abhängen.

    Behrens: Ich finde es Klasse, dass du trotz deines jungen Alters noch viele Dinge in Frage stellst und nicht einfach genau so weiter machst, wie du es zu Beginn gelernt hast:thumbs_up:

  • Ahoi,

    ich klammer mal das Thema Ausbildung komplett aus, sondern mal Bezug zu dem bisherigen Beiträgen dazu.

    Jeder kennt das Problem das der Kostendruck anliegt, die Werkzeuge vom Werkseinkäufer in Portugal, China etc. angefragt werden um überhaupt irgendwie an das Projekt zu kommen...und wenn es dann klappt ... geht der Irrsinn erst wirklich los. Man muss dann das Ganze Procedere der Konstruktion + Freigabe, die Werkzeugerstellung + Abnahme/Validierung + Verlagerung abspulen (die Kosten hatte der Einkäufer nicht so ganz im Blick)...und wenn das dann da ist ist die Terminschiene schon völlig im Arsch und der Endkunde braucht Teile. Bestenfalls läuft alles gut an, aber nach kurzer Zeit zeigt das Billigwerkzeug dann doch manch komisches Verhalten...und auf einmal geht nix mehr...und jeder weiß was dann kommt.

    Meiner Meinung nach ist es wie wenn man eine Flex bei Aldi oder Lidl kauft...das Angebot und der Preis extrem verlockend...und viele machen den Deal, aber der der das Teil dann das erste mal im Dauereinsatz hat verflucht es nach wenigen Stunden bevor es dann final krepiert - dasselbe sehe ich bei Werkzeugen (meine Meinung).

    Wenn man einmalig bei einem wirklich, wirklich guten deutschen Werkzeugbauer ein Werkzeug komplett mit Abnahme, Validierung etc. kauft, sich den Reisestress und die etlichen E-Mails in Englisch erspart, bin ich mir sicher das sich der höhere Anschaffungspreis in D lohnt und der ROI früher bzw. wie kalkuliert erreicht wird.

    Natürlich hat keiner oder die wenigsten von uns hier die Handhabe bei der Werkzeuganfrage / Vergabe mitzureden...aber sollte da jemand sein - fragt bei deutschen Werkzeugbauten an, analysiert die Kosten von bisherigen Low Budget Werkzeugprojekten mit maximaler Transparenz (allen, wirklich allen Kosten) und dann testet es bei einem Projekt ... meiner Meinung nach eine ganz klare Sache und Win - Win für alle Beteiligten....und ja, ich arbeite bei einem deutschen Werkzeugbauer und bin maximal stolz darauf und unsere Formen und Turn Key Projekte

    Schönes Wochenende

    Druckverlust

  • Ich weiß, dass alle auf die Werkzeugbauer schimpfen, weshalb ich mal eine Lanze für die Werkzeugbauer breche, auch wenn ich selbst auf die manchmal schimpfe. Aber jetzt schimpfe ich auf die Spritzgießer, weil sie an der Situation ebenso schuld sind.

    Mittlerweile gibt es von so vielen Kunden massiv aufgeblähte Pflichtenhefte, die ein Werkzeugbauer durcharbeiten muss. Das trifft auch auf Konstruktionsbüros zu. Die müssen erstmal unentgeltlich teilweise 300 Seiten durcharbeiten, weil im Pflichtenheft alles mögliche drin steht, was wie gestaltet werden muss. Das reduziert die Freiheitsgrade deutlich, was in einer Preissteigerung resultiert, weil man manche Verrenkung machen muss. Steht die Anforderung drin, dass alle Anschlüsse für die Temperierung auf einer Seite sein müssen, muss der Werkzeugbau alles entsprechend bohren. Macht das Leben nicht zwingend leichter und das Werkzeug nicht günstiger. Dann kommen die Stähle hinzu, die zwingend verwendet werden müssen und von welchen Lieferanten. Ist eine Stahlsorte mal knapp, wird es teuer. Dann wird festgelegt, welche Auswerfer es sein müssen und wer sie liefern muss. Ebenso bei vielen Normalien, wo es nur einen Anbieter geben darf.
    Das ist ein Extrembeispiel, was mir bekannt ist und dürfte teilweise auch auf andere Pflichtenhefte von Spritzgießer gelten. Warum wird das so detailliert gemacht? Weil man Angst vor Fehlern hat und somit an allen festhält, was man kennt. Bloß nichts neues probieren und wagen.
    Merkwürdigerweise wird die Konsequenz, die man von deutschen Werkzeugbauer fordert, bei ausländischen Werkzeugbauern ignoriert. Falsche Normalien? Egal. Tauschen wir dann. Anschlüsse auf der anderen Seite? Müssen wir mit leben. Welcher Stahllieferant wurde bemüht? Egal.

    Werte Spritzgießer:
    Setzt euch mal hin und streicht allen Nonsens aus dem Pflichtenheft raus. Gerne gehe ich das Pflichtenheft gemeinsam mit euch durch, damit ein anderer Blick besteht und warum welche Punkte gestrichen werden sollten. Und anstatt immer auf die Werkzeugbauer zu schimpfen, solltet ihr auch die Möglichkeiten schaffen "neue" Technologien nutzen zu können. Da plane ich gerne 1-2 Tage ein. Ja, dafür werde ich auch Geld nehmen müssen, weil ich damit auch eine Menge Wissen vermittle.
    Sensorik braucht das Verständnis über den Prozess und Kurveninterpretation. Behrens vermittelt sehr gut, wann was im Prozess warum passiert. Das ist absolutes Basiswissen, wenn man Drucksensoren oder Ultraschallsensoren nutzen will.
    Sorgt auch für eine gescheite Wasserqualität! Eine Kalkschicht von 0,1mm in der Temperierung kostet euch in der gesamten Produktion ca. 5-10% der jährlichen Produktionsleistung! Ich bin ein großer Freund von chemiearmen Systemen und es ist eine Lösung in Entwicklung, die meinen Wünschen entspricht. Simpel in der Bedienung und günstig im Unterhalt. Nutzt in der Zeit einfach die passende Chemie, wenn ihr keine andere Lösung habt.
    Warum ist eine gescheite Wasserqualität notwendig? Damit ihr vernünftig konturnahe Temperierung nutzen könnt. Nein, es bringt nichts die Wassertemperatur abzusenken, um die Zykluszeit zu reduzieren. Ihr holt euch damit Qualitätsprobleme ins Haus. Wenn die Temperierung gleichmäßig zwei mm von der Kontur weg ist, erhaltet ihr ein ideales Ergebnis nah am technischen Limit. Ich habe Konstruktionsregel erarbeitet, wie das gut funktioniert und sich schnell einbringen lässt. Habe auch entsprechend den sehr guten Konstrukteuren diese Regeln schon weiter gegeben, weil es eine gewisse Basisqualität der Konstruktion braucht. Auch arbeite ich an der weiteren Beschleunigung der Konstruktion durch Erweiterung der Regeln. Was schon fertig ist, ist ein neues Konzept, wie Werkzeuge konstruiert werden können. Die Größe der Einsätze sind nur der konventionellen Temperierung geschuldet, die aufgrund der miesen Wasserqualität notwendig ist. Mit dem neuen Konzept, werden die Einsätze um 60-80% leichter, was auch die Kosten dafür drastisch senkt. Mit ein paar Kunden bin ich dabei die ersten Werkzeuge zu analysieren, damit das auch umgesetzt werden kann. Die wollen das, weil die Zykluszeiten sinken und das Werkzeug mit konturnaher Temperierung günstiger ist als das konventionelle Werkzeug. Wenn es passt, wird das Werkzeug auch kleiner, was wiederum die Produktion auf einer kleineren Maschine ermöglicht.
    Nutzt mehr Simulationen! Mit heutigen Simulationsprogrammen kann man schon viel vom Prozess simulieren und zwar zuverlässig. Stimmt alles, habe ich eine Abweichung zwischen Simulation und Realität von unter 2%. Das kann man lernen und bringe ich auch gerne bei, damit im eigenen Hause mehr läuft. Damit können die gesamten Prozesse viel schneller analysiert werden und auch die Musterphase kann drastisch reduziert werden. Beim Werkzeugbauer und in der Serienproduktion. Ich kenne Fälle, wo nach dem 2. Werkzeug sich die gesamten Kosten für die Simulation gerechnet haben und aus 8-9 Wochen Musterphase+Schleifen nur noch 1-2 Wochen Musterphase und eine Schleife wurden.

    Anstatt zu jammern, sollten sich die Spritzgießer+Werkzeugbauer anfangen zu bewegen. Sonst greift der alte Spruch "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit". Ein paar Hinweise habe ich gegeben, was man machen kann.

  • Hallo!

    Die meisten Punkte wurden ja schon angesprochen und da stimme ich auch uneingeschränkt zu.

    Ich arbeite seit mehr als 15 Jahren im Bereich Abmusterungen von Neuwerkzeugen. Es gibt so viel interessante Technik die vieles vereinfachen würde. Das Problem dabei ist einfach nur die Investitionsfaulheit vieler Firmen und die Lernfaulheit vieler Mitarbeiter. Wenn dann mal was neues angeschafft wird dann wollen viele Mitarbeiter einfach nichts davon wissen. Die wollen weder auf Schulung noch die neuen Sachen nutzen. Ich war öfter, auch mit Mitarbeiter auf Schulung. Für viele ist das nur ein "Urlaub" auf Betriebskosten und wollen schnellstmöglich aus der Schulung raus damit die abends ihr Bier trinken können. Und das hat bestimmt schon jeder von uns hier erlebt.

    Und dann kommt der Fachkräftemangel noch dazu. Wir bilden intern interessierte Mitarbeiter, meistens Werkerpersonal, weiter als Einrichter. Das ist ein 2 jähriger Prozess. Die Leute können dann aber trotzdem nur das nötigste.


    Weiter geht's dann mit dem unendlich andauernden Krieg zwischen Werkzeugbau und Spritzguss. Jeder meint er hat recht und es richtig zu machen und dem anderen zu sagen was sie tun müssen anstatt sich einfach zusammen zu setzen und vernünftig eine Lösung zu finden.


    Fazit: Neue Technologien werden zum Teil eingesetzt aber lange nicht mit der Effektivität die möglich wäre. Ich stimme zu, dass Spritzguss neu gedacht werden muss. Wie der Prozess aussehen soll, kann ich selbst noch nicht wirklich sagen.

  • Hallo,

    Leute, wenn ich dieses hier lese, geht mir das Herz auf. Auch, wenn es mich eigentlich nichts mehr angeht: Ich habe die Abfindung genommen, bin z.Z. in einer Transfergesellschaft und gehe zum 1.09.2025 abschlagsfrei in Rente!

    Zu meinen Anfängen als Einrichter für Spritzguss gab es dies als Ausbildungsberuf noch nicht. Ich habe mein Wissen und Können durch mehr als 40 Jahre Erfahrung gewonnen, ohne Gesellenbrief oder wie es in der DDR hieß Facharbeiterzeugnis!

    Ich hatte mir selbst als Aufgabe gestellt, mit kleinen Maßnahmen meine Arbeit und die der Kollegen an den Maschinen zu verbessern. Das konnte natürlich nur geschehen, wenn die Maschinen und Anlagen nicht in Betrieb waren, also in kleinen Schritten. Dabei kam oft Unverständnis und Ablehnung von anderen Einrichtern, wenn meine Maßnahmen noch unvollständig waren: "Was hast Du da wieder hin gebastelt? Ich habe mir fast den Kopf gestoßen. Beim nächsten Mal baue ich den Sch.... wieder ab!". Wenn ich dann, zum Teil erst nach Monaten, fertig war: "Boah, das ist gut. Da geht alles viel schneller!" etc.

    Selbst von direkten Vorgesetzten wurden meine Vorschläge oft abgelehnt: "Bist Du sicher, dass das funktioniert!" oder "Was soll das denn kosten!"

    Aber wie oben gesagt, das geht mich nichts mehr an. Der Berater von der Transfergesellschaft und selbst der Teamleiter vom Arbeitsamt haben Verständnis dafür: Ich habe keine Lust mehr auf diesen Stress!


    Lutz aus dem Oberharz!

  • @ Lutz
    Ich habe vor 33 Jahren als Quereinsteiger angefangen und arbeite heute noch im Spritzguss. Nicht mehr an den Maschinen sondern im sogenannten technischen Support.
    Ob 33 Jahre Learning by Doing schlechter sind als es als Lehrberuf inhaliert zu haben ist schwer zu beantworten. Ich vergleiche es einfach mit dem was zu meiner aktiven Zeit gelaufen ist und was heute noch davon erreicht wird. Ich hatte das Glück immer ein offenes Ohr für diesen "neumodischen Kram" gehabt zu haben und habe somit auch einiges an Prämien einstecken können weil es das Unternehmen voran gebracht hat.

    Heute, wo die jungen Wilden das Zepter in der Hand haben, ist die Welt etwas anders (zumindest bei uns) Zahlreiche Personen die viel reden aber wenig bis nichts bewirken. Fangen X Sachen an aber bekommen nichts fertig. Wenn man dann noch sieht, dass noch weniger junge Leute einen handwerklichen Beruf ergreifen wollen und die Ausbildung wie so oft berichtet speziell in dieser Branche oftmals sehr fragwürdig ist, kommen mir schon einige Grübelflalten auf die Stirn.
    Aber mit 60+ sieht man das alles entspannter. Ich bleibe wie mein ganzes Leben immer am Zahn der Zeit, bewahre das Bewährte und habe keine Angst vor dem Neuen.

  • Es wurde hier noch neben den Spritzgiessern und Werkzeugbauern die Folgenden vergessen:
    Die OEMs und die grossen TIER1 . Was die an Forderungen stellen, einhergehend mit dieser Bürokratie (oder wie Herr Behrens sagt aufgeblähte QM-Systeme) ist eine Katastrophe. Nun sitzen pro Spritzgiesser und Spritzgussmaschine gefühlt 15 QSler, die zwar die Norm(en) lesen können aber von der technischen Seite wenig bis keine Ahnung haben. Und dann werden "Prozesse eingefroren", weil es hat ja bei der Bemusterung bei den 15 Bauteilen funktioniert. Unabhängig von Chargenschwankungen, Werkzeugverschleiss und und und. Frustrierende ist dabei, dass die an der Maschine (teilweise zumindest) die Lösung parat hätten, aber dann auch nichts machen können, weil man dann eine teuere Validierung nochmal durchmachen müsste.
    Und das schlimmste ist:
    Ich sehe keine Besserung in Sicht.

  • Auch wenn ich mir vorgenommen hatte, mich zu Beiträgen nicht zu äußern, so möchte ich doch ein paar Anmerkungen machen, um den einen oder anderen mal für einen Blickrichtungswechsel zu motivieren.

    Es wurde hier noch neben den Spritzgiessern und Werkzeugbauern die Folgenden vergessen:
    Die OEMs und die grossen TIER1 . Was die an Forderungen stellen, einhergehend mit dieser Bürokratie (oder wie Herr Behrens sagt aufgeblähte QM-Systeme) ist eine Katastrophe.

    Hier geht es um die Kunden und mit diesen machen Spritzgießer ein Geschäft, wozu mindestens immer zwei Partner gehören. Ergo: Der Partner Lieferant sagt dem Kunden ein Qualitätsspezifikation zu, die er nicht konstant einhält, aus welchen Gründen auch immer. Die Folge aus Abweichungen kennt jeder, es sind die Reklamationen! Hierzu kann jeder denken, was er mag, jedoch ist Fakt, dass der Kunde durch dieses *Nichteinhalten einer Geschäftszusage der Lieferanten* gezwungen wird, Organisationen zu schaffen, die dafür sorgen, dass die Qualitätszusagen eingehalten werden! Dieses führte im Laufe von 50 Jahren zu dem aufgeblähten QM-System (und riesigen Kostenerzeuger), über welches sich gerne (mit Recht) aufgeregt wird.

    Fakt ist aber: Ursache dieses QM-Systems ist die **Nichteinhaltung zugesagter Qualität seitens der Lieferanten**! Ich komme mit meinen 71 noch aus einer Zeit, da gab es diese ganzen *Audits- und Zertifizierungsgeschichten* nicht, hing allerdings auch damit zusammen, dass die Endprodukte aus einer Prozesskette (hier Auto) nur einen Bruchteil an Komplexität hatten!

    Umso mehr ist es immer wieder für mich erschütternd, wie in der Ausbildung der Prozessexperten (Spritzgießer) alle verantwortlichen Institutionen an einem **Denken wie vor 50 Jahren** festhalten!

    Und dann werden "Prozesse eingefroren", weil es hat ja bei der Bemusterung bei den 15 Bauteilen funktioniert. Unabhängig von Chargenschwankungen, Werkzeugverschleiss und und und. Frustrierende ist dabei, dass die an der Maschine (teilweise zumindest) die Lösung parat hätten, aber dann auch nichts machen können, weil man dann eine teuere Validierung nochmal durchmachen müsste.

    Das hängt verständlicher Weise damit zusammen, dass ALLE Beteiligten in der Prozesskette, nämlich beim Lieferanten (Spritzgießer) sowie beim Kunden dem FALSCHEN DENKEN verfallen sind, dass die Qualität eines Spritzgussteiles über die Maschinenparameter a) reproduziert und b) wiederholgenau in Serie erzeugt werden kann!

    Das funktioniert nicht! Punkt.

    RICHTIGES DENKEN findet dort statt, wo der *Entstehungsprozess des Formteiles*, nämlich in der Kavität des Werkzeugs, a) reproduziert und b) wiederholgenau in Serie erzeugt werden kann!

    Und das schlimmste ist:
    Ich sehe keine Besserung in Sicht.

    Solange am FALSCHEN DENKEN festgehalten wird ist das so - jedoch alle technischen Mittel sind seit vielen Jahren verfügbar, um mit dem RICHTIGEN DENKEN diesen Zustand abzustellen!

    Voraussetzung: EINE ZEITGEMÄSSE AUSBILDUNG AUF DEM STAND DER TECHNIK.

    Mein Apell an die Spritzgießer:

    1) Gestaltet nicht den wiederholgenauen Prozess in der Maschine, sondern gestaltet den wiederholgenauen Prozess in der Kavität!

    2) Im Werkzeug (Kavität) entsteht die Wertschöpfung(!!) und nicht in der Maschine, die ist nur "Mittel zum Zweck"!

  • Nach 10 Jahren Ausbildung, dualem Studium und in der Anwendungstechnik kann ich das oben Beschriebene nur bestätigen.

    Die Ausbildung ist schon mangelhaft, da in der Theorie erst im 3.Lehrjahr auf Spritzgießen eingegangen wird. Für die Komplexität des Prozesses zu wenig.
    Das Basiswissen ist schnell vermittelt, jedoch wird nicht darauf eingegangen, wie ein 24/5 Prozess zu beurteilen ist. Weder Prozesssgrafik noch die Trendgrafik werden thematisiert. Vielleicht weil die Lehrer es selbst nicht kennen, da einige auch nur wenig Praxiserfahrung in der Spritzerei haben oder (noch schlimmer) sie kommen aus dem Metallbereich und lehren nebenher noch den Verfahrensmechaniker Beruf, da sie an der Schule es hinbekommen einfach Teile zu spritzen.

    Bei uns wurden in der Berufschule kleine stapelbare Kisten gespritzt, die bei konstanter Wandstärke einfach herzustellen sind. Das sind absolut geschönte Annahmen, die mit der Realität herzlich wenig zu tun haben. Eine Heißkanaldüse mit einer Anspritzung über einen Tunnelanguss sollte bei Weitem noch nicht das Komplexeste sein, was Spritzgießen sonst zu bieten hat. So kann direkt das Wissen über den Stauboden, Wärmehaushalt im Werkzeug, Düsenabstimmung etc. vermittelt werden.

    Ist in der Kavität keine Sensorik verbaut, bietet die Prozessgrafik die einzige Möglichkeit ein Stück weit "in das Werkzeug hineinzuschauen". In der Produktion wurde ich deswegen auch schon als "Theoretiker" abgestempelt, da ja echte "Praktiker" solange rumprobieren, bis mal 10 gute Teile herauskommen. Angesprochen auf die Prozessstabilität gabs meistens nur Unverständnis, da dies ja auch nur theoretisches Gerede wäre.
    Dass aber diese "Rumprobierei" einer der Hauptursachen für hohe Ausschussquoten darstellt, wird gekonnt ignoriert.

    Zum Glück bin ich seit diesen Sommer an einem Kunststoffinstitut und nicht mehr in der Industrie tätig, da ich dort derart viele negativen Erfahrungen (mangelhaftes Wissen und teilweise katastrophale Sozialkompetenz) gemacht habe, dass ich überzeugt davon bin, dorthin nicht mehr zurückzukehren. Ich versuche jetzt am Institut ein transparentes Wissensnetzwerk aufzubauen, um dem heutigen Nachwuchs, so gut es geht, basiertes Fachwissen mitzugeben.

  • Zum Glück bin ich seit diesen Sommer an einem Kunststoffinstitut und nicht mehr in der Industrie tätig, da ich dort derart viele negativen Erfahrungen (mangelhaftes Wissen und teilweise katastrophale Sozialkompetenz) gemacht habe, dass ich überzeugt davon bin, dorthin nicht mehr zurückzukehren. Ich versuche jetzt am Institut ein transparentes Wissensnetzwerk aufzubauen, um dem heutigen Nachwuchs, so gut es geht, basiertes Fachwissen mitzugeben.

    Auch da wirst du auf die gleichen Probleme treten, aber sie sehen von Außen anders aus. Diese Institute werden von der Wirtschaft bezahlt und wollen die Stümperei einfach nur fortsetzen. Nur mit mehr, passend zur aktuellen Jahreszeit, Lametta.
    Woher ich das weiß? Weil ich häufig gefragt werde, ob ich mit einem gewissen Insitut bzw. ähnlichen Instituten was gemeinsam habe. Das kann ich guten Gewissens immer verneinen und dann werden die Gespräche interessant.

  • Woher soll es auch kommen, wenn an der Berufschule und im Studium alle möglichen Sonderverfahren erklärt werden, aber ein Semester Werkzeugkonstruktion ausreichend erscheint? Dieses KnowHow kann nur in der Praxis entstehen und deshalb wäre eine Mindestanforderung von mir für Berufschullehrer, dass sie mindestens 15 Jahre praktische Berufserfahrung haben. Da dies oftmals nicht der Fall ist, sollte es keinen wundern, wenn in diesem Beruf immer noch viel mit technischen Verschwörungen und gefährlichem Halbwissen gearbeitet wird.
    Dadurch, dass das Grundprinzip von Spritzgießen so einfach ist, denken viele, dass das ein Beruf ist, bei dem kurz mal als Quereinsteiger gezeigt wird, wie der Hase läuft. Bisschen Nachdruck und Einspritzgeschwindigkeit zu ändern ist kein Problem. Das Problem ist aber, dass nahezu immer nur die Symptome bekämpft werden und nicht die Ursachen.

    Hier habe ich jetzt die Möglichkeit, das vorhandene Wissen wiederzugeben und ein transparentes Wissennetzwerk aufzubauen. Das dauert alles seine Zeit, aber irgendwer muss ja damit anfangen :smiling_face:
    Außerdem ist die Bereitschaft Sensorik in den Prozess einzubauen deutlich höher als in der Industrie, da sich dort oftmals vor der Technologie gescheut wurde aus Gründen mangelnder Erfahrung. Das eine kommt vom anderen und ohne diese Strukturen aufzubrechen wird sich nix ändern.
    Dabei werden wir in Zukunft neben der Kavität auch schauen, dass wir Sensorik in den Zylinder bekommen. Der Druck im Schneckenvorraum ist ein sehr aussagekräftiger Wert, mit dem in der Praxis sehr viele Probleme minimiert werden könnten, hätte man ihn zur Verfügung.

    Aber erstmal werden die Prozess- und Trendgrafiken erklärt, weil das absolutes Basiswissen darstellt. Und erst danach kommen die nächsten Schritte :smiling_face:

  • Auch da wirst du auf die gleichen Probleme treten, aber sie sehen von Außen anders aus. Diese Institute werden von der Wirtschaft bezahlt und wollen die Stümperei einfach nur fortsetzen.

    Das ist generell schon richtig, nur ist der entscheidende Unterschied, dass hier ergebnis- und nicht profitorientiert gearbeitet wird. Das fängt an bei dem persönlichen Umgang miteinander und endet damit, dass die Entscheidungsfreiheit für mich hier deutlich höher ist als in der Industrie. Endlich keine dummen Diskussionen mit dem BWL Junior Chef, der stets verlangte bei jeder Neubeschaffung eine Amortisationsrechnung zu machen.
    Wann amortisiert sich ein neues Temperiergerät, wenn die bestehenden quasi Schrott und auf dem Stand der Technik Mitte 90er sind? Wann amortisiert sich ein Manometer mit einem T-Stück, um wenigstens übergangsweise einigermaßen sicher produzieren zu können? Mit solchen Fachidioten will ich mich nicht mehr rumschlagen.

    So musste ich auch feststellen, dass hier das KnowHow auch nicht dem entspricht, was ich mir erhofft habe, aber wenigstens ist die Bereitschaft da, dazu zu lernen.

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