Hallo, also hier mal für Leute, denen keine VVs mehr einfallen ein paar ausführliche "Tipps für Einsteiger und Fortgeschrittene". Manche Sachen werden vielleicht klar sein, aber vielleicht kann der ein oder andere ein paar Anregungen für sich und seinen Betrieb daraus gewinnen.
Verbesserungsvorschläge aufschreiben sollte man immer dann, wenn man sich über etwas ärgert oder meint, dass etwas umständlich ist oder zu lange dauert ("Mensch, wo ist denn jetzt wieder dieses ****** Werkzeug?!"). Denn da hat man ja ein Problem erkannt und nun muss man nur noch Zettel und Papier nehmen und eine Lösung aufschreiben. Wichtig ist auch, dass man nichts für "gottgegeben" ansieht, sondern alles in Frage stellt. "Das haben wir schon immer so gemacht" heißt ja nicht, dass es nichts besseres gibt.
Eine interessante Möglichkeit, Probleme aufzudecken und damit Ideen für VVs zu bekommen, ist die 5W-Methode. Das heißt, mindestens fünfmal "Warum?" zu fragen. Beispiel:
Auf dem Boden schwimmt eine Öllache. Lösung: Öl aufwischen.
Warum schwimmt dort eine Öllache? Weil die Maschine undicht ist. Lösung: Maschine reparieren. (evtl. vorbeugende Instandhaltung)
Warum ist die Maschine undicht? Weil die Dichtung Verschleißerscheinungen zeigt. Lösung: Dichtung ersetzen.
Warum hat die Dichtung Verschleißerscheinungen? Weil Dichtungsringe geringer Qualität gekauft wurden. VV: Spezifikation für Dichtungsringe ändern.
Warum wurden Dichtungsringe geringer Qualität gekauft? Weil sie billig waren. VV: Einkaufspolitik ändern.
Warum wurden billige Dichtigungsringe gekauft? Weil der Einkauf nach kurzfristigen Kosteneinsparungen beurteilt wird. VV: Bewertungsschema für den Einkauf ändern.
Warum wird der Einkauf nach kurzfristigen Kosteneinsparungen bewertet? Weil die Geschäftsführung kurzfristige Gewinne über langfristige Erfolge stellt. VV: Neuen Geschäftsführer einsetzen 
Am Ende kommt man fast immer am stinkenden Fischkopf an. Den letzten VV sollte man vielleicht besser für sich behalten.
Wichtig für VVs ist auch, dass die Prozesse standardisiert und (mit Zeitangaben) dokumentiert sind. Denn nur etwas, das von allen MA gleich gemacht wird und festgeschrieben ist, kann verbessert werden. Wenn jeder das Werkzeug anders einbaut, besteht die Lösung erstmal darin, einfach mal zu vergleichen, wie lange jeder MA für den Einbau braucht und sich dann über die enormen Schwankungen zu wundern. Einen Prozess zu verbessern, den eh nur 5% der Belegschaft so befolgen, bringt fast nichts.
Für Leute in einem "guten" Betrieb, in dem es wirklich um Verbesserungen und Optimierungen geht, schreibe ich noch folgendes:
Eine Möglichkeit, Prozesse zu verbessern, die oft nicht bedacht wird, ist, dass man die Prozesse fließender macht. Das heißt, dass man nicht eine Million Teile auf Halde bis knapp unter die Decke produziert und sie dann zwei Wochen stehen lässt bis sie zum nächsten Arbeitsschritt kommen, sondern dass die Teile eben möglichst schnell zum nächsten Schritt und letztlich zum Kunden weitergereicht werden, um die Durchlaufzeit und die "Ware in Arbeit", das heißt unnötige Zwischenlagerbestände zu verringern.
Leider ist diese Möglichkeit manchen Vorgesetzten schwer beizubringen, da sich Kosten für die Zwischenlagerung schwer korrekt berechnen lassen. Man sollte jedoch beachten, dass hierbei mehr Kosten entstehen als man gemeinhin meint: denn wenn ich Ware zwischenlagere, muss ein Mitarbeiter sie von Prozess 1 auf den Zwischenlagerplatz stellen, die Fläche geht mir verloren (da könnte man vielleicht auch ne Maschine hinstellen!) und zum Schluss muss der Mitarbeiter nochmal kommen und den ganzen Block vielleicht mit 'nem Stapler zu Prozess 2 fahren (Stapler, Arbeitszeit und unnötige Unfallrisiken können hier eingespart werden). Diese Rechnung gilt natürlich auch und noch viel mehr für Fertigwarenlager.
Ein weiterer großer und wichtiger Vorteil von fließenden Prozessen mit geringen Durchlaufzeiten ist, dass Mängel am Teil, die erst im Prozess 2 auffallen, zeitnah an Prozess 1 zurückgemeldet werden können und nicht erst wenn das Werkzeug schon abgebaut ist. Durch diese frühzeitige Fehlererkennung kann man logischerweise auch sehr viel Geld sparen.
In einem Spritzgussbetrieb gibt es leider oftmals nur Spritzgießen und Verpacken, aber trotzdem kann es sich lohnen, zu schauen, dass die Ware nicht unnötig lange in der Gegend rumsteht (das gilt auch für das Rohmaterial!). Sollten nach dem Spritzen weitere Verarbeitungsprozesse folgen, sollten diese wenn möglich an die Maschine verlagert werden, sodass die gespritzten Teile eben möglichst schnell weiterverarbeitet, verpackt und verschickt werden können.
Oftmals werden Bemühungen, die Ware-in-Arbeit- oder Fertigteil-Lagerbestände zu reduzieren, jedoch wieder aufgegeben, weil man durch irgendwelche Fehler und Probleme nicht rechtzeitig liefern kann. Sich mit den Problemen zu beschäftigen und den Prozess zu optimieren ist vielen zu aufwendig, weshalb sie lieber zu ihren teuren Zeitpuffern und Lagerbeständen zurückkehren. Deshalb bringen großartige Bemühungen in die Richtung schlanke Fertigung nur etwas, wenn das Unternehmen bereit ist, zu lernen und seine Prozesse zu optimieren. Anfangen kann man z.B. mit einer sog. Wertstromanalyse oder einem Kaizen-Workshop. Externe Berater sind für solche Sachen gar nicht verkehrt.
Aber natürlich kann man auch versuchen, dieses Prinzip stellenweise als VV einzubringen, um eben punktuell Platz einzusparen und Qualitätsmängel früher zu erkennen.