Spritzguss für Anfänger - machbar?

  • Hallo,

    wir sind Hersteller eines Produktes das nicht in der Kunststoffbranche zuhause ist, erwägen aber eine Spritzgussmaschine für Versuchszwecke anzuschaffen. Es würde hierbei ein Fremdteil in das Werkzeug eingelegt werden.

    Ich war beim EInführungskur bei Boy, die haben gemeint dass das mit einer 1-2 Tägigen Einschulung kein Problem sein dürfte. (Wir haben keine Kunststofftechniker oder ähnliches)

    Folgendes wären die Parameter:

    • Nur Versuche, keinerlei Serienproduktion.
    • maximal ein paar Schüsse pro durchgang, also energieverbrauch, taktzeiten etc egal
    • Qualität der Teile zweitrangig, eher die Wirkung auf das eingelegte Teil relevant. Hierbei ein bischen Spielen mit Drücken etc.
    • Größe des Spritzgussteils: ca Größe einer Handyhülle

    Ist so was mit einer Schulung ohne Spezielle Vor/Ausbildung machbar?

    Was für eine Maschine würdet ihr für so etwas empfehlen? Mit was für einem Preis müsste ich für eine Gebrauchtmaschine in dem Segment ca rechnen?


    Vielen Dank

    Daniel

  • Hallo Daniel und willkommen im Forum,

    trotz deiner Ausführungen ist es schwierig sich ein genaues Bild von eurer Anwendung zu machen.

    Aber nachdem ihr ja sowieso ein Werkzeug für eure Anwendung brauchen werdet, würde ich euch empfehlen, mit einem Formenbau in der näheren Umgebung zusammenzuarbeiten. Idealerweise haben die auch die nötigen Maschinen und Einsteller, um euch den Prozess einzurichten. Ansonsten können die euch sicher geeignete Lohnspritzer in der Umgebung empfehlen. Es gibt derzeit genügend Kapa am Markt, sodass die Kosten überschaubar bleiben dürften.

    Falls ihr es dann später unbedingt bei euch im Haus betreiben wollt, dann wäre auch eine Verlagerung auf eine "baugleiche" Gebrauchtmaschine leichter machbar. Aber bitte nicht unterschätzen: auch ein solche Maschine muss korrekt ausgelegt werden, braucht die passende Peripherie etc. pp.

    Zwecks gebrauchter Maschinen, kannst du bspw. mal auf Ebay Kleinanzeigen schauen.

  • Stell dir ein Textil vor dass in die Form eingelegt wird und dann Hinterspritzt.

    Das verhalten des Textils bei verschiedenen Drücken, Temperaturen und insbesondere verschiedenen Formgeometrien (Ecken, Kanten, Rundungen veschiedener Radien etc).

    Wir bräuchten viele Verschiedene Werkzeuge, welche allerdings nur ein paar Schuss je machen müssten, würden daher auf 3d-Gedruckte Werkzeugeinsätze gehen (3d-Druck in-house vorhanden).


    Boy hat natürlich eine Neumaschine empfohlen, und "wenn umbedingt gebraucht dann mindestens Alpha 2 Steuerung".

    Ich habe aber keine Ahnung über die beste Dimensionierung der Maschine, oder ab wann die Steuerungen für "moderne" Bediener vernünftig bedienbar sind.


    Darf ich hier ein Beispiellink zu Kleinanzeigen posten mit der Frage ob so eine Maschine für mich geeignet ist?

  • Ich denke so ein Link ist ok.
    Bin gespannt, wer sich hier mit Boy auskennt. :thinking_face:

    Auch mal drüber nachgedacht, mit dem Thema an eine Uni ranzutreten?
    Die suchen immer nach spannenden Forschungsthemen und erhalten dafür dann öffentliche Förderung.
    Maschinen und Einsteller sind auch ausreichend vorhanden.
    Man muss natürlich ausreichend Zeit mitbringen. :grinning_face_with_smiling_eyes:
    - Please login to see this link., Erlangen
    - Please login to see this link., Aachen
    - uvm...

  • Da bräuchtest du schonmal ein neues Aggregat, weil das für deinen Artikel sicherlich zu groß ist.
    Welches Material wollt ihr denn überhaupt verarbeiten? Davon hängt vieles ab.

    Und wie wollt ihr das Einlegeteil in der Form festhalten? So wie ich das verstehe, wäre eine Vertikalmaschine eigentlich besser für euch geeignet.

  • Also meine Meinung ist, einfach so mal eine Maschine kaufen und dann Versuche darauf machen, noch dazu mit Stoff hinterspritzen, ist nicht ganz so einfach wie es auf den ersten Blick scheint.

    Gerade mit Stoff hinterspritzen ist einiges Know-How dahinter.

    Schon alleine wenn du sagst, mit Drücken spielen. Bis auf den Nachdruck, ergeben sich Einspritzdrücke beim Spritzen je nach Prozess. Da sollte man schon wissen wie es funktioniert und was man da einstellt.

    Ich bin da auch bei der Meinung meiner Vorredner. Sucht euch eine Firma in der Nähe die das mit euch zusammen macht. Vielleicht könnt ihr auch eine Maschine besorgen und einen Facharbeiter einer anderen Firma "ausleihen" der euch zumindest in der ersten Zeit dabei unterstützt.


    EDIT: Und zur Aussage von Boy: Natürlich ist das für die in 1-2 Tagen Crash Kurs möglich. Die wollen dir ja ne Maschine verkaufen und am besten auch noch ein paar Schulungen. Ich empfehle da eher Schulungen von unabhängigen Instituten wie Kunststoffinstitut Lüdenscheid. Zu Boy kann ich auch nichts sagen da ich die Maschinen nicht kenne. Ich würde da auch eher auf Hersteller wie Arburg, KraussMaffei oder Engel gehen. Die kennen eigentlich alle die in der Kunststoffbranche arbeiten.

  • Und wie wollt ihr das Einlegeteil in der Form festhalten? So wie ich das verstehe, wäre eine Vertikalmaschine eigentlich besser für euch geeignet.

    Hatte mir das eigentlich durch "einklemmen" im Werkzeug vorgestellt. So wie hier beschrieben: Please login to see this link.

  • Alles ist in den Artikeln und von BOY sehr optimistisch und vereinfacht dargestellt. Es ist aber nicht so. Wie von den Vorrednern schon richtig bemerkt, ist es nicht so einfach wie man es sich vorstellt. Vor allem auch die Idee, dass man "nur 1-2 Mal einspritzen" will. Bevor die Maschine reproduzierbare Teile erzeugt, sind schon mal 10-50 Schuss für die Tonne. Und dann kommt noch die (unbeantwortete) Frage nach dem oder den zu verwendenden Materialien. Jedes Material bevorzugt seine speziellen Verarbeitungsparameter, die mit jedem Werkzeug entsprechend neu angepasst werden müssen. Und es gibt nicht nur 3 verschiedene Kunststoffe, die sich auch noch in diverse Unterprodukte verteilen. Und wenn von Kunststoffverarbeitung außer 3D-Druck keine Ahnung besteht, verliert man schnell den Überblick, was wann und wie welche Erscheinung erzeugt hat. 3D-Druck hat nichts mit Spritzguss zu tun. Spritzguss ist etwas ganz anderes und erfordert auch ganz andere Parameter. Nur mal so dargestellt: Ihr habt an der Maschine rund 500 Parameter die eingestellt werden können oder müssen. Und ein Zweitageskurs beim Maschinenhersteller (egal welcher) bietet euch lediglich höchstens einen Überblick welche Funktionen vorhanden sein können. Es werden "die Tasten kurz mal erklärt". Danach muss man einige Jahre "Erfahrung" (im wahrsten Sinne des Wortes) sammeln an und mit der Maschine und den Werkzeugen. Nicht um sonst ist das ein Lehrberuf!

    Siehe es mal wie Klavierspielen an. Rechts die hohen Töne und links die tiefen, aufgeteilt auf schwarze und weiße Tasten. Dann kommen noch die Noten dazu. Und nun noch zwei bis drei Fußpedale. Das hat man beim Kauf des Klavieres erklärt bekommen. Kann man damit schon virtuos Klavier spielen? Genau so läuft das auch mit dem Spritzguss und den verschiedenen Materialien und Werkzeugen.

  • Sieh dir mal dieses gesamte Forum an und Liste mal die ganzen Hauptfragen und Zwischenfragen penibel auf. Und der größte Teil der User sind schon gewisse Spezialisten, die mit Spritzguss in der Regel schon einige Jahre zu tun hatten. Und die Grundkenntnisse haben die meisten schon gehabt. Und dann kommt ein spezieller Auftrag und nichts funzt mehr so wie man es sich wünscht.

    Spritzguss für Anfänger - machbar? Definitiv NEIN

  • Also Stoff hinterspritzen und dann nach zwei drei Schuß eine Erkenntnis zu gewinnen ist nicht möglich.

    Neben dem Halten des Stoffes in der Form, kommt es auf den / die Anspritzpunkte an. Was machst Du bei typischen Fehlerbildern " Durchschüsse" Faltenbildung usw.


    Wird spannend.

  • Des weiteren hast du ja geschrieben das ihr auf 3D gedruckte Formeinsätze gehen wollt. Das ist ja auch grundsätzlich möglich aber gerade bei solchen Einsätzen, deren Standzeit ja so schon sehr kurz ist, ist jeder Fehler bei der Einstellung tödlich. Ein mal überspritzt und das wars mit dem Einsatz.

    Also ihr dürft das wirklich nicht unterschätzen wenn ihr brauchbare Ergebnisse wollt!

  • Ein Vorhaben, was scheitern wird. Wie schon angesprochen, am besten einen Werkzeugbauer suchen, der sich auf Textilhinterspritzen spezialisiert hat und eine eigene Maschine zum Mustern hat. Der kann für euch die Versuche machen, die ihr gerne haben wollt.
    Bei den gedruckten Einsätzen ist auch viel Sorgfalt einzuhalten. Mit einem FDM-Drucker kommt ihr nicht weit, weil ihr schon ein passendes Material für die auftretenden Temperaturen und Drücke braucht. Das ist teuer. Mit einem SLA-Drucker werden ihr auch nicht sonderlich glücklich. Nach jedem Schuss muss der Einsatz getauscht werden, weil die Kühlzeit ein paar Stunden betragen kann und reproduzierbare Ergebnisse sind nicht drin. Egal, was die Hersteller von SLA-Drucker versprechen. Ich hab viele Diskussionen diesbezüglich schon gehabt und am Ende hat man mir kleinlaut Recht gegeben. Wenn ihr viele verschiedene Geometrien testen müsst und die Geometrien relativ einfach sind, dann sind Einsätze aus Alu die ideale Lösung. Schnell gefräst und erlauben reproduzierbare Ergebnisse.

  • Zu der Aussage von Boy: NEIN! einfach nein.

    Nach 1-2 Tagen weißt du als 'Bediener', welche Knöpfe du bei einem fertigen Programm drücken musst, damit du sie anfahren kannst und Teile runterfallen. Zum quasi Einrichten gehört weit mehr dazu - und ich kann mir dazu inzwischen ein ganz gutes Bild machen, denn ich bin auch quasi Quereinsteiger, habe insgesamt ca. 20 Schulungstage zu verschiedenen Einzelthemen genossen und bin seit mehreren Jahren sporadisch an der Anlage und bin immer noch nicht "sattelfest".
    Zur Maschine: gibt es zu sagen, dass es im wesentlichen drei Kriterien für die Auswahl gibt:
    - Wie groß ist das Werkzeug (Einbauhöhe, Aufspannfläche, sog. "Projezierte Fläche" des Bauteils) + wie groß ist der maximale Spritzdruck

    - Wie groß ist euer maximales/minimales Schussgewicht? (Spritzteil + ggf. Kaltanguss)

    - welche Materialien verarbeitet ihr: Standard, Hochtemperatur, Korrosiv, ...


    Auch mit den Werkzeugen ist das ein schwieriges Thema, denn da gehört selbst bei Versuchswerkzeugen eine menge KnowHow dazu, damit diese funktionieren.

    Nicht zuletzt sind Textileinleger auch noch ein ganz eigenes, diffiziles Thema, diese faltenfrei einzulegen und gegen das Werkzeug abzudichten


    Summa summarum würde ich euch definitiv die Kooperation mit einem Institut oder Technikum empfehlen. Diese sind oft auf Bemusterungen, kleine Stückzahlen und Kasettenwerkzeuge spezialisiert.
    Das wird "auf dem Papier" natürlich erst einmal teurer sein als selbst machen, aber wenn ich aus Erfahrung mal das "Lehrgeld" überschlage, dass ihr definitiv bei Eigenfertigung zahlen werdet inkl. aller Folgekosten werdet ihr inhouse in den ersten Monaten bis Jahren definitiv NICHT auf der Haben-Seite sein!

  • VIelen Dank für die vielen Rückmeldungen.

    Da ich an der Aussage von Boy doch etwas gezweifelt habe habe ich ja hier nachgefragt.


    Ich werde mich vorerst mal an einen lokalen Sprizgießer oder Werkzeugbauer wenden um ein paar Versuche zu machen.


    Um die Frage trotzdem noch anders zu Formulieren: Was wäre denn die minimal Notwendige Ausbildung um in-house erste Schritte in dem Thema zu machen (also erste Versuche, müssten natürlich nicht einmal annähernd Perfekt sein, natürlich nach einem Anfang mit einem externen Partner).

    Gleichlautend zur Maschine: Was wäre denn eine Passende Maschine um dann in Zukunft erste Versuche zu machen?


    Zur Maschine: gibt es zu sagen, dass es im wesentlichen drei Kriterien für die Auswahl gibt:
    - Wie groß ist das Werkzeug (Einbauhöhe, Aufspannfläche, sog. "Projezierte Fläche" des Bauteils) + wie groß ist der maximale Spritzdruck

    - Wie groß ist euer maximales/minimales Schussgewicht? (Spritzteil + ggf. Kaltanguss)

    - welche Materialien verarbeitet ihr: Standard, Hochtemperatur, Korrosiv, ...

    Projezierte Fläche eines möglichen Teils: ~100cm^2 (desto Flexibler die Maschine desto besser)

    Maximales/MInimales Schussgewicht: nicht definiert (schätzung: 50g?)

    Materialien: Nur Standardmaterialien (zb PP, PET, PE, für den Anfang was auch immer am einfachsten verwendbar ist).


    Ich habe auch Privat Interesse am Spritzguss (nach Erfahrung in 3d-Druck, CNC-Fräsen etc) und habe bereits die Anschaffung einer kleinen "Bastel"-Spritzgussmaschine erwägt (zb precious Plastics). Dann würde ich aber lieber gleich eine gebrauchte "richtige" Maschine anschaffen mit der ich später auch die Versuche in der Firma abdecken kann.

  • Ich habe auch Privat Interesse am Spritzguss (nach Erfahrung in 3d-Druck, CNC-Fräsen etc) und habe bereits die Anschaffung einer kleinen "Bastel"-Spritzgussmaschine erwägt (zb precious Plastics). Dann würde ich aber lieber gleich eine gebrauchte "richtige" Maschine anschaffen mit der ich später auch die Versuche in der Firma abdecken kann.

    Schau hier mal rein: Please login to see this link. ... haben auch schon einige Mitglieder dieses Forums besucht.

    Auf jeden Fall wirst Du danach das **faszinierende Herstellungsverfahren Spritzguss** bis ins letzte Detail Dir vorstellen können und es verstehen um dann selbst zu entscheiden, welcher Weg FÜR DICH passt!

  • Gleichlautend zur Maschine: Was wäre denn eine Passende Maschine um dann in Zukunft erste Versuche zu machen?

    Ich würde dir dann wirklich eine Arburg Allrounder empfehlen. Die Kann man horizontal als normale Spritzgussmaschine verwenden aber auch vertikal stellen wenn du dann mit Einblegeteilen arbeitest.

  • Zum Thema Schulungen: Da du vermutlich weder mit der Anlagentechnik noch mit der Thermophysik der Kunststoffe bisher in Berührung gekommen bist, ist auf jeden Fall ein allumfassender Grundlehrgang nötig - idealerweise mit Paxisanteil an einer Anlage, damit du live siehst, was passiert, wenn du Dinge eingestellst. Den Thermoplaste haben eine Reihe von Eigenheiten, die du weder beim Metallspritzguss noch beim Zerspanen bisher erlebt haben wirst.

    Die Kurse von Hr. Behrens sind zweifelsfrei in Sachen Fachwissen absolut up to date, ob sie für einen "blutiger Anfänger" ohne Vorkenntnisse geeignet sind, maße ich mir nicht an zu bewerten.

    Alternativ dazu gibt es bei den namhaften Kunststoffinstituten auch umfangreiche Grundlagenkurse von 5-10 Tagen, die natürlich keinesfalls einen fertigen Verfahrensmechaniker "ausspucken", aber zumindest alle wichtigen Grundthemen anreißen: Kunststoffe und ihre Eigenschaften, Prozessverständnis, Anlagen- und Werkzeugtechnik

    Wenn du ausschließlich mit Einlegeteilen arbeiten möchtest, würde ich dir den Griff zu einer Vertikalmaschine (Öffnungsrichtung Werkzeugachse) empfehlen, da du dir bei diesen weniger Gedanken über das Fixieren der Einleger machen musst. Salopp gesagt legst du sie einfach in die untere Werkzeughälfte ein und sie fallen nicht raus.

    Bezüglich der Größe brauchst du vorab zumindest eine grobe Orientierung, denn es gibt die Faustformel, dass das Volumen so gewählt sein sollte, dass der Schneckenhub 1-3(-4)x Schneckendurmesser entspricht. Ist der Zylinder zu groß, verbrennt dir das Material, da die Masse zu lang steht, ist er zu klein bekommst du Probleme beim Aufschmelzen. Ist jetzt stark vereinfacht zur Einleitung.

    (50g entspräche bei deiner maximalen Fläche von 100mmx100mm ca. 5-6 mm Dicke)

  • Nichts desto trotz:

    Eine Maschine dieser Größenordnung benötigt schon gewissen Raum. Bei einer vertikalen Spritzeinheit bist du bei etwa 3m Höhe, ca. 3m Länge und 1,3m Tiefe. Stromanschluss (63A/3P Drehstrom) und Kühlwasser (ggf. auch Werkzeugtemperierung) sollte auch berücksichtigt werden. Diese Maschine muss auch penibel horizontal ausgerichtet werden.

    Einige Materialien müssen vor der Verarbeitung getrocknet werden (z.B. PET) - Trockner bereithalten. Die Maschine dürfte etwa 2,5tons wiegen. Hydrauliköl werden ca. 150l benötigt.

Participate now!

Don’t have an account yet? Register yourself now and be a part of our community!